Khmer, Genialitaet und Grauen eines Volkes

Lieber Leser, was kommt dir in den Sinn wenn du das Wort Kambotscha hoerst?
Du denkst vielleicht an eine neue ultra coole Unterart von Boggia. Aber die
Meisten werden wohl die Tempel um Angkor Wat oder das schreckliche Regime
der Khmer Rouge unter Pol Pot erwaehnen.

Doch nun der Reihe nach. Verfolgen wir die 2 bekanntesten Episoden in der
Geschichte dieses genialen Volkes der Khmer.

Im 10. Jahrhundert beginnt ein beispielloser Aufstieg dieses Volkes das beim
Hoehepunkt seiner Macht im 14. Jahrhundert ganz Suedostasien und Teile von
Indien und China beherrscht. Als Ausdruck dieser unglaublichen Macht wurden
in Siam Reap unzaehlige Tempel errichtet. Die Tempel Anlagen sind inzwischen
unter dem Schutz der UNESCO als World Heritage geschuetzt.
Doch eine Vorstellung der Genialitaet der Architekten dieser Zeit, kann man
beim Lesen und Anschauen von Bildern niemals erhalten. Am ersten Tag habe
ich einen Motofahrer gemietet und liess mir die wichtigsten Bauten zeigen. Die
Groesse, Harmonie und auch Maechtigkeit der Tempel schlug mich dermassen in
den Bann, dass ich anfangs keine Muse hatte auf Details einzugehen. Einige
der Tempel sind inzwischen vollstaendig renoviert worden, andere sind noch
immer von Urwaldriesen ueberwuchert und liegen wie riesenhafte Schoehnheiten
im Maerchenschlaf.
Mit der Zeit kommt dann auch die Geduld sich hin zu setzen und die
unzaehligen Schnitzereien zu betrachten. Am imposantesten ist da sicher der
Angkor Wat. Wat heisst uebrigens Tempel. Ueber hunderte von Metern werden
hinduistische Sagen detailliert dargestellt. Schlachten zwischen einem Heer
von boesen Affen und den guten Menschen, Liebesgeschichten und Eifersuchtszenen.
Das ganze menschliche Drama wird dargestellt.
Dass die Khmer auch Schoenheit zu wuerdigen wussten ist augenscheinlich. Wo
immer ein Plaetzchen frei war, wurde es mit ueppigen, halbnackten weiblichen
Figuren verziert. Ein schoener Anblick, der wahrscheinlich schon in den
vergangenen Jahrhunderten einige Moenche von ihrer Arbeit ablenkte. Und
auch heute noch viele in den Bann schlaegt. Was viele speckige Stellen an
einschlaegigen Koerperteile beweisen.
Doch zurueck zu den Khmer. Von dieser wohl einstmals endlosen Stadt ist
ausser den Tempeln nichts uebrig geblieben. Nichts, keine Haeuser, keine
Werkstaetten, keine Friedhoefe. Aber nur schon die Vorstellung ueber die
Groesse und die Organisation dieser Stadt, in der nur fuer einen Tempel tausende
von Angestellen zum Unterhalt notwendig waren, liess mich immer wieder in
Ehrfurcht verharren.
Den Besuch hier werde ich niemals Vergessen.

Leider werde ich die zweite bekannte Episode aus der Geschichte der Khmer
ebenfalls nie vergessen. Naemlich die Geschichte Kambotschas der 70'er und
80'er Jahren. Ich weiss nicht viel ueber den historischen Hintergrund und
die Motivation der Khmer Rouge das eigene Volk auf diese Weise zu behandeln.
Aber der Besuch der Killing Fields und des Sicherheitsgefaengnisses S21 in
Phnom Phen genuegten fuer einen bleibenden Einruck. Auf den Killing Fields liegen
noch immer unzaehlige Gebeine und Kleiderresten der 17000 Opfer umher. Beim
Besuch der Gedenkstaette kommt man nicht darum herum, auf den einen oder anderen
menschlichen Ueberresten zu treten. Einfach schrecklich.
Doch die wahre, grenzenlose Brutalitiaet dieses Regimes wird erst richtig
offensichtlich beim Besuch des S21 Gefaengnisses. Ein Punkt der Hausordnung
lautet zum Beispiel: 'Du sollst schweigen wenn du Ausgepeitscht wirst oder
Elektroschlaege erhaelst'. Und die erzaehlten Geschichten und Bilder
entsetzen und loesen tiefe Betroffenheitheit aus. Auch hier, wie bei Angkor Wat,
kann man den Besuch niemals durch Erzaehlung oder Literatur nachempfinden sondern
nur erleben.
Insgesamt wird geschaetzt, dass etwa ein Viertel der Einwohner, in etwa 1.5
Millionen, ein Opfer der Herrschaft von Pol Pot wurden. Nicht durch Gewalt
und Krieg sondern auch durch Hunger, Erschoepfung und Krankheit starben
viele.
Oft habe ich mich nach diesem Tag unwohl gefuehlt wenn ich mit jemandem
aelter als 35 Jahre gesprochen habe. Was hat wohl der nette Taxifahrer oder
die freundliche Omelletenverkauferin in dieser Zeit gemacht und erlebt. Doch
nach diesen Geschichte habe ich nie zu Fragen gewagt.
Den Besuch hier werde ich niemals vergessen.

In Kambodscha wurde mir wiedereinmal klar wie nahe Wahnsinn und Genialitaet
der menschlichen Natur zusammenliegen. Bei den Khmer hat sich der Kreis
leider vollstaendig geschlossen.
Doch muss ich zugeben, dass meiner Betroffenheit nicht auschliesslich die
Zahl der Opfer oder die Brutalitaet der Pol Pots zugrunde liegt. Sonder auch
der Erkenntnis, dass es keine verbindlichen Grundregeln fuer menschliches
Verhalten gibt. Was ich hier erfahren habe, lag jenseits meiner
Vorstellungskraft. Alles was ich bisher als allgemeinverbindlich fuer den
Umgang mit Andern hielt, wurde hier einfach weggewischt. Keine der Werte und
keine der Sicherheiten an die ich mich gewoehnt habe, wurde von den Khmer Rouge
respektiert.
Nach Phnom Phen bin ich weiter nach Sianoukville gefahren, einer friedlichen
Hafenstadt mit sehr junger Geschichte. Dort habe ich einige Tage am Strand
genossen und ebenfalls viele herzhaft freundliche Kambodschaner getroffen.
Doch trotz des friedfertigen Umfeldes, haette ich manchmal gerne mehr ueber
das Schicksal meines Gegenuebers erfahren.