Beat Huber, Klasse 5a

Was ich in den letzten Ferien machte


Endlich musste ich keinen Zueri-Ferienpass mehr loesen und mit dem ober langweiligen Adliswil-Felsenegg Baehnli auf den Uetsgi fahren. Sondern ich fuhr mach Phisanulok, Thailand zu einem Meditationskurs.

Habe mir natuerlich vorher eine tolle Harry Potter Uniform gekauft und ein par magische Sprueche auswendig gelernt. Natuerlich checkte ich auch die Webpage WWW.DHAMMA.ORG und lernte dort, dass ich mir nach dem Kurs nie mehr Sorgen machen werde und immer voll cool bleiben werde. Geil, dann muss ich nie mehr ein schlechtes Gewissen machen, wenn ich keine Ufzgi gemacht habe. Nebst vielen weiteren Infos zur Organisation steht auch noch, dass es ueber hundert Zentren dieser Organisation auf der Welt gibt, vielleicht gehe ich das naechste Mal dann nach Brasilien.

Am Anreisetag bin ich dann sehr stolz, niemand traegt eine so schoene Uniform wie ich. Die meisten tragen einfach bequeme Kleidung in dezenten Farben. Wie ich, hat die Mehrzahl keine Vorstellung was sie erwartet und auch eher diffuse Erwartungen. Es laesst sich auch nichts auffaelliges ueber die anderen sagen. Anwaelte, Verkaeufer, Zeitungseditoren, Studenten und Muetter aus ganz Thailand treffen ein. Die meisten voller Fragen und nur die Wiederholungstaeter wissen mehr. Doch die huellen sich in edlem Schweigen und meinen, dass Erfahren besser ist als Beschreiben.

Wir beziehen unsere megakleinen Zellen im neu und vollstaendig aus Spenden finanziertem Zentrum. Ueberhaupt ist hier alles kostenlos. Wer gibt ist will kommen, wer nichts spendet ebenfalls. Etwas Angst jagt mir der Tagesablauf ein: Tagwacht 4:00 , Fruehstueck 6:30, Lunch 11:00, Abendtee 17:00, Diskurs 19:00 und Nachtruhe 21:30. Wenn nicht gegessen wird, dann wird meditiert, im ganzen 11 Stunden pro Tag. Es gibt kein Abendessen und die ganze Woche wird nur vegetarisch sein. Ich fuerchte Schlimmes.

Dann geht's los. Guru Goenka, ein Inder der so spricht wie der Inder in Viktors Spaetprogramm und eigentlich nur unser Lehrer und kein Guru ist, erzaehlt uns um was es geht. Er meint, dass uns kein Zauber sondern eine Lebensphilosophie und harte Arbeit erwarte. Langsam und moeglichst unbemerkt ziehe ich meinen Zauberhut aus. Doch Goenka gibt uns auch Hoffnung in dem er erklaert, dass es einen Ausweg aus der menschlichen Misere gaebe. Das wir in den naechsten Tagen eine Technik dazu lernen und ueben werden. Dass wir die Chance packen sollen um unser Leben bewusster wahrzunehmen und unsere Zukunft so positiv gestalten koennen.

Die erste Uebung lautet: Beobachten der Empfindungen in und um die Nase beim Atmen. Was immer wir empfinden, nicht darauf zu reagieren und es mit Gleichmut und Interesse zu beobachten. Doch bevor wir loslegen kommt der Hammer! Damit wir beim Meditieren nicht abgelenkt werden, duerfen wir fuer die naechsten 10Tage nicht sprechen. 10 Tage keinen Klatsch, Horror! Trotzdem starten wir voller Motivation und ich beobachte aufmerksam meinen Atem. Ueberraschenderweise ist es recht vielseitig. Mal kitzelt es, mal zuckt es, mal pulsiert es. Empfindungen die ich noch nie an der Nase gespuert habe. Gespannt was noch kommen wird geht's ins Bett

Am naechsten Morgen weckt uns ein Gong, das einzige Kommunikationsmittel das erlaubt ist. Was mich erheitert, da es mich irgendwie an den Maslovschen Versuch mit der Glocke und dem Hund erinnert. Doch oft bin ich einfach froh wenn der Gong die naechste Mahlzeit oder das naechste Essen ankuendigt.

Die folgenden 3 Tage beobachten wir unseren Atem. Wer jetzt denkt, Meditieren sei etwa so wie Ausschlafen am Sonntag Morgen der irrt sich. Man sollte sich nur auf die Empfindungen und Gefuehle der Gegenwart konzentrieren und diese Gleichmuetig beobachten. Doch der Geist sorgt schnell fuer Ablenkung. Wie ein Affe springt er staendig umher. Von der Gegenwart in die Zukunft und zurueck, nur konzentrieren will er sich nicht. Doch jeden Tag geht es etwas besser.

Ab dem 4 Tag beobachten wir die Empfindungen am ganzen Koerper, unsere Aufgabe fuer die restlichen 7 Tage. Und als Draufgabe, sollten wir uns 3 mal pro Tag waehrend einer Stunde nicht bewegen. Nun musste man also nicht nur den Geist beherrschen sondern auch noch den Koerper. Der erfindet naemlich nach 30 Minuten viele und meist unangenehme Empfindungen, die man dann mit Gleichmut, Aufmerksamkeit aber ohne Reaktion zu beobachten hat. Doch auch das Unangenehme geht vorueber und nicht selten stellen sich sehr angenehme Empfindungen ein.

Ich uebe fleissig weiter, doch am 7 Tag ist meine Disziplin geschwaecht und ich blinzle manchmal und betrachte die anderen Meditierenden. Die auffaelligen habe ich mit Namen versehen, wir koennen ja nicht nach Namen fragen. Nicht weit von mir sitzt She-Buddha. Sie koennte Modell fuer alle Tempel gestanden sein, bewegungslos in perfekter Haltung. Stundenlang ohne ein Anzeichen von Empfindungen. Eigentlich so bewegungslos wie Jeanne d'Arc die im hintersten Ecken sitzt. Aber mit ihren dunklen Haaren, den dunklen Kleidern sitzt sie eher wie in Trance da. Ich frage mich immer wann ihr Hexenmeister kommt. Etwa Merlin? Der sitzt nahe bei mir. Ein Amerikaner mit stechend blauen Augen, der uns nach dem Kurs verraet er sei durchs Meditieren von den Drogen losgekommen. Merlin hat uebrigens bereits 54 Kurse besucht, das bedeutet etwa anderthalb Jahre Schweigen. Was aber immer noch gesunder ist als LSD und Kokain.Doch die restlichen 70 Teilnehmer sind wie normal und ich mal ruhig, mal voller Schmerzen und mal voller Empfindungen.

Der allabendliche Diskurs ist mein taeglicher Hoehepunkt. Er hilft die Meditation zu verstehen und motiviert fuer den naechsten Tag. Goenka erklaert zum Beispiel, dass wir mit dieser Meditationstechnik ueben unsere Empfindungen bewusst wahrzunehmen und so unsere Handlungen bewusst ausfuehren koennen. Oder eben so den unbewussten Handlungen Wind aus den Segeln zu nehmen. Alles baut auf Moral und guter Lebensfuehrung auf. Mit vielen Beispiel und unterhaltsamen Geschichten wird das Leben und die Lehre Buddhas erklaert und vermittelt.

Es gibt die 5 Gebote: nicht Toeten, nicht zu Luegen, nicht zu Stehlen, nicht Ehebrechen, keinen Drogenkonsum. Zu diesen 5 Regeln haben wir uns waehrend der Kursdauer verpflichtet. Fuer Christen nichts neues, denn Vieles erinnert an das neue Testament. So auch die Paramis, 10 Eigenschaften wie Weisheit, Gleichmut, Grosszuegigkeit, Toleranz, .... die wir pflegen und vermehren sollten.

Fuer Buddhisten besonders wichtig ist dann noch der Achtfach noble Pfad, welcher beschreibt wie man Erleuchtung erlangt. Fuer Christen ist aber auch da Fleisch am Knochen. Ich habe mich bis anhin noch nie gefragt WIE ich meinen Geist reinigen kann. sondern nur was mein Geist oder meine Seele verunreinigt. Doch das Wichtigste wird staendig wiederholt: Alles ist vergaenglich und alle menschlichen Miseren werden schlussendlich nur durch Ignoranz, Ablehnung und Verlangen erzeugt. Der Ausgang aus diesen Misere findet man jedoch durch Weisheit und Gleichmut. Intellektuell leicht verstaendlich aber sehr schwer umzusetzen. Und genau bei der Umsetzung dieser Weisheit soll die vermittelte Meditationstechnik helfen.

Am letzten Tag durfte dann gesprochen werden. Beruhigt stelle ich fest, dass es fast allen wie mir ergangen ist. Mal war die Konzentration leicht zu
erhalten, mal die Gedanken unbaendigbar. Doch die meisten waren erstaunt wie leicht es ist 10 Tage zu Schweigen.
Auch die Furcht vor dem grossen Hunger war unbegruendet. In Zukunft werde ich Tofu und Trennkost nicht mehr verschmaehen. Im letzten Diskurs erklaerte uns Goenka, dass es nun an unserer Disziplin liegt Nutzten aus dem Geuebten zu ziehen. 2 mal taeglich zu Meditieren und sich wann immer moeglich seinen Empfindungen bewusst zu sein. Mit dem Gedanken etwas Wertvolles gelernt zu haben und gemeinsam manche harte Stunde durchlebt zu haben, nehmen wir wie eine Familie von einander Abschied.

Bei der Abreise schenke ich einem Kind in Phitsanulok meine Harry Potter Uniform und murmle dazu ein par magische Sprueche, man weiss ja nie ob es nicht doch noch etwas bringt.