Chronologie einer Busfahrt
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X-1day
Nach gut 1 Woche in Myanmar, dem Land der Goetter, bin ich in Bhamo einer Provinzstadt
mit nur 5 grossen Tempeln angelangt. Waehrend der 3 taegigen Flussfahrt auf dem Irrawaddy
von Mandalay nach Bhamo lerne ich Tun Neinig Myo kennen. Freundlicherweise zeigt er mir
heute das wenige Kilometer noerdlich gelegene buddistische Kloster Taimpa. Langsam aber
sicher gerate ich in den Bann der buddistischen Lehren. Alles was ich bis anhin sah, strahlte
Ruhe, Kraft und Weisheit aus.Eigentlich plane ich wieder mit dem Schiff bis Ketha zurueck zu
fahren. Aber per Zufall erwaehnt Tun, dass die Fahrt auf der Lido Road nach Myitkyinta nun
von der Polizei auch fuer Touristen erlaubt werde. Sofort bin ich hellhoerig, waere doch eine
eintaegige Tour mit einem Pick-Up durch die gruene Hoelle genau nach meinem Geschmack.
Diese Strasse wurde im WWII fuer den Nachschub der Allierten gegen die Japaner gebaut.
Leider ist sie auch unter dem Namen "One mile, one man road" bekannt, eine stattliche
Opferzahl bei einer Laenge von ueber 1000km.Doch auch ich muss noch, wenn auch kleine,
Opfer erbringen. Brauche ich doch noch eine Bewilligung der Myanmar-Travel&Tours die mir
der Hotelmanager freundlicherweise einholt. Beim Kauf des Billettes heisst es dann:
"Tomorrow at 8 we will start". Ich frage etwas misstrauisch ueber die spaete Zeit nochmals
nach und gehe dann voller Zuversicht zurueck zum Hotel.

X0600
Tagwacht, ich moechte noch die Morgenstimmung geniessen und stehe deshalb etwas frueher
auf. Die ersten Sonnenstrahlen blinzeln bereits durchs Fenster

X0630
Alles ist gepackt und ich bin frisch geduscht und rasiert. Gutgelaunt lege ich gerade die
Kamera zurecht und moechte zum Morgenspaziergang aufbrechen

X0631
Lautes Gepolter an der Tuer: Mister Mister, go to Myitkyina. Etwas verwundert oeffne ich die
Tuer, schaue auf die Uhr und da steht der Chauffeur und meint, ich solle doch endlich
einsteigen

X0639
Ohne Fruehstueck stehen wir vor dem Hotel und beladen den hochbeinigen Toyota Pickup mit
meinem Gepaeck. Als ich das Gefaehrt sehe, bin ich froh in Yangoon eine Schutzhuelle fuer
meinen Rucksack gekauft zu haben: Alles starrt vor Dreck. Dann geht's los, meine ich.....

X0645
1. Halt im westlichen Aussenquartier, 3 Personen steigen zu

X0655
2. Halt im oestlichen Aussenquartier, 5 Personen steigen zu

X0700 - 0725
3. Halt vor der Busstation im Zentrum. Alles Gepaeck wird abgeladen und zusammen mit dem
neuen Gepaeck wieder aufgeladen. Billette werden geprueft und die letzten Passagiere
steigen zu

X0725
1. Tankhalt, 2 Kanister a 20 Liter Diesel werden getankt. Der Pickup springt nicht an und wird
rueckwaerts angestossen.

X0730
2. Tankhalt, wir kehren unmittelbar nach Abfahrt um und gehen wieder zum 1. Tankhaltort
zurueck. 1 Kanne Oel wird in den Motor geleert. Dieses Mal springt der Motor an. Vorerst ist
die Strasse geteert, ein Pickup nicht noetig.......

X0735
1. Polizeikontrolle. Alles Gepaeck wird abgeladen und durchsucht. Unterdessen bei allen eine
Leibesvisitation durchgefuehrt und die Reisepapiere geprueft. Waehrenddessen zieht der
Fahrer, unter dem Wagen liegend, noch ein par Schrauben an den Stossdaempfern nach.

X0800
Abfahrt: Die Zeit 8:00 stimmte also, ich hatte nur die genaueren Umstaende nicht begriffen!
Auf unserem 5 plaetzigen Pickup sind nun nebst viel Gepaeck 23 Personen an Bord: 3 Mann
Besatzung, 1 Greis, 1 Schwangere, 1 Kind, 1 Maedchen, 1 Tourist und 15 Maenner. Keine
Schafe, keine Kuehe und keine Huener.

X0844
1. Reifenpanne, hinten links. Routiniert wird einer der 2 Reservereifen montiert.

X0925 - 0925
2. Polizeikontrolle, diesmal werden die Personalien aufgenommen und in ein Carnet de Passage
eingetragen.

X0930
1. Halt, 1 Passagier steigt aus und nach fuenf Minuten wieder ein.

X0941
2. Halt, der zuvor gewechselte Reifen wird nach gepumpt.

X0952
Die Strasse, uebrigens eine der 4 wichtigsten Strassen die Nord-Sued verlaufen, wandelt sich
zum Feldweg. Militaerisch gesagt: 4. Klass-Strasse. Immer wieder kreuzen uns die
verruecktesten Gefaehrte: 70 jaehrige Lastwagen, Aebis, Pickups und Ochsenkarren.

X1004
Ueberqueren einer Bruecke aus Teakholz (In Burma ist alles aus Teak). In Gedenken an den
Film "Bridge over the River Qwai" und die armen POW's pfeife ich die Film Melodie.
Bekannter ist die Melodie in der Schweiz auch unter der Cover-Version vom Trio Eugster :
"Fraeulein haend sie mis Huendli gseh"

X1048
3. Halt, der zuvor geplatzte Reifen wird repariert

X1101
Geniessen der Aussicht auf die Gruene Hoelle. Ich kann mich kaum satt sehen an dieser so
fruchtbaren und wohl auch furchtbaren Wildniss

X1107
4. Halt, Austreten und etwas Kleines essen

X1112
Wir treten in das Land der Schlagloecher ein. Jeder Cameltrophy Fahrer bekaeme hier
glaenzige Augen. Von Zeit zu Zeit muessen alle absteigen, da der Wagen sonst zu schwer fuer
das Durchqueren der immensen, manchmal bis zu 100 Metern langen, Schlammgruben waere .
Manschaft und Passagiere nehmen es routiniert gelassen, ich bin wohl der einzige der sich
ueber diese tolle Schlammpiste freut.

X1136
Wir durchqueren in steilem Gelaende wahnsinnige Bambuswaelder. Die Halme sind so dick wie
Beine und mindestens 10 Meter hoch. Ich fuehle wie ein Kaefer unter Grasbuescheln.

X1142 - 1158
1. Zwischenfall. In recht steilem Gelaende rutscht der Wagen, stell sich quer und der Motor
wird abgewuergt. Niemand stirbt aber mein Herz schlaegt schneller. Der Anlasser streikt
wieder und Anstossen ist nicht moeglich. Warten. Warten. Irgendwann laeuft der Motor
wieder und im 3. Vesuch steht der Wagen wieder richtig auf der Strasse.

X1245
5. Halt, Austreten und Wasser trinken

Frage: Sind auch schon etwas muede und fragen sie sich wie lange das noch so weiter geht?
Noch lange......

X1321
6. Halt, Mittagessen: Reisnudeln mit Fried Chicken.

X1354
Um mich bei Laune zu halten pfeife ich bei jeder Bruecke die beruehmte Melodie: Froelein
haend sie m......

X1425 - 1428
Vorsorglicher Reifenwechsel vorne links, der Reifen leckt leicht

X1437 - 1459
2. Reifenpanne, der vorher gewechselte Reifen platzt mit lautem Knall. Der Reifen hinten links
wird nach vorne links montiert und hinten links ein "neuer" Reifen montiert ? Ich entwickle
eine neue Theorie ueber die Reisedauer in Entwicklungslaendern.

X1515
Wir haben die gebirgige Region verlassen und holpern nun entlang von unzaehligen
Reisfeldern. Die Saat ist jung und so malt der Wind in den hell- aber trotzdem kraeftig gruenen
Feldern wellen foermige Muster.

X1623
Immer wieder durchqueren wir kleine Dorfgemeinschaften. Die Haeuser sind Pfahlbauten aus
Teakholz mit Strohdaechern und Waenden aus geflochtenen Palmenmatten. Saeue suhlen sich
meistens am Rande der Strassen und Kinder spielen mit einfachem Spielzeug, einer Dose oder
einem speziell geformten Ast. Wo immer wir hinkommen lachen die Leute. Burma ist nicht nur
das Land der Goetter sondern auch des Laechelns.

X1712 - 1734
7. Halt. Nach fast 2 Stunden (!) ungestoerter Fahrt Austreten, etwas Teetrinken und den Staub
von den Hosen klopfen. Erste Anzeichen von Muedigkeit und Ueberdruss machen sich
bereit. Erste Prognosen ueber die Ankunftszeit werden herum gereicht: Man einigt sich auf
1900.

X1745
3. Polizeikontrolle, Personalien werden aufgenommen und das Carnet de Passage abgegeben.

X1750
8. Halt. Nachpumpen der um 1437 gewechselten Reifen. Ich fuege meiner Reisedauertheorie
noch den Nachpump-Korrekturfaktor bei.

X1753
Die Melodie zum Qwai River hilft nun definitiv nicht mehr. Ich bin muede und mein Hintern
schmerzt von den unzaehligen Schlagloechern. Wenn wir davon ausgehen, dass alle 3 Meter
ein Schlagloch kommt und jedes 3 auch erwischen, dann wird es uns in den 170Km rund
18'888 Mal tuechtig durchschuetteln.

X1756 - 1907
3. Reifenpanne. 200 Meter nach dem Nachpumpen platzt der Reifen vorne links. Von den 2
geplatzten und dem einen lecken Reifen, der inzwischen platt ist, wird nun nur ein Reifen
geflickt und sogleich montiert. Straeflicherweise wie wir spaeter erfahren.Wahrend dem
Warten sehen wir die 2. Halbzeit des lokalen Fussballderbies und einen wunderschoenen
Sonnenuntergang.

X1949
4. Reifenpanne, hinten links. Kein Ersatz mehr. Der Fahrer geht ins naechste Dorf und kehrt
unvermittleter Dinge zurueck. Etwas Unmut breitet sich unter den sonst so unverdrossenen,
gelassenen und ruhigen Passagieren aus.

Bermerkung: Jetzt sind aber auch schon etwas muede. Aber Achtung, der Trip ist noch nicht
zu Ende: Ressourcen einteilen ist nun das Motto.....

X2132
Nach langem Zoegern entscheidet sich der Pickup-Besitzer mit einem Plattfuss vorne links
loszufahren.

X2158
5. Reifenpanne. Der Reifen hinten links ist auch etwas Muede geworden. Die Weiterfahrt ist
nun nicht mehr moeglich. Konsterniertes um den Wagen herum sitzten. Meine zuvor
entwickelte Theorie zur Reisedauer in Entwicklungslaendern wird nun definitiv absurdum
gefuehrt. Konsterniert stoppe ich damit, den Formeln immer wieder neue Faktoren zu
zufuegen.

X2231
Alle Passagiere ausser dem Greis, der Crew und mir brechen zu Fuss ins naechste Dorf auf.

X2308
Das Nachtlager auf der Strasse ist eingerichtet. Ich trinke mit der Besatzung Schnapps und
zeige meine Fotos aus der Heimat. Mit gebrochenem Englisch unterhalten wir uns so gut es
geht. Mancher Lacher und zufriedene Gesichter bei Kerzenlicht.

X2407
Nachtruhe, der Mond schwebt mystisch ueber den von Nebelschwaden verhangenen
Reisfeldern. Die Grillen zirpen ein Nachtlied und die Moskitos stoeren beim Einschlafen.

X+1 0603
Tagwacht. Vom Geraeusch der vorbeiziehenden Ochsenkarren geweckt. Heute ist Markt im
naechsten Dorf.

X+1 0648
Weiterfahrt auf einem Ochsenkarren ins naechste Dorf. So romantisch das aussieht, es ist
hoechst unbequem auf einer mit Schlag- und Sumpfloechern uebersaeten Strasse so daher
zuziehen.

X+1 0715
Ankunft im Dorf. Auf dem Markt zum Fruehstueck Nudelsuppe. Wie immer ist der Markt
Farbenfroh und dieser zudem noch ziemlich schlammig.

X+1 0729
Inzwischen hat der Fahrer des Pickups fuer die verbliebenen 6 Passagiere einen Ersatztransport
organisiert. Wir fahren ab.

X+1 0730 - 0737
Der Ersatztransport stoppt wieder. Die zwei Fahrer diskutieren intensiv. Schlussendlich steigen
alle wider vom Wagen. Warum, weiss niemand so genau. Nun harren wir der Dinge und hoffen
auf einen anderen Transport aufspringen zu koennen.

X+1 0859
Ein Reifen des Pickup konnte inzwischen repariert werden und so versuchen wir es nun ein
zweites Mal mit einem Plattfuss vorne links, die ersten Meter recht erfolgreich.

X+1 0902 - 0908
9. Halt. Ein entgegenkommendes Fahrzeug leiht uns einen Reifen und so koennen wir wieder
mit einem vollstaendigen Radsatz weiter Rasen.

X+1 0926
4. Polizeikontrolle, Meine Personalien werden aufgenommen

X+1 0945
5. Polizeikontrolle, alle Ausweise werden geprueft

X+1 0951
3. Tankhalt, 1 Kanister Diesel a 20 Liter wird eingefuellt. Wie ueblich wird der Wagen
rueckwaerts angestossen

X+1 0956 - 0959
6. Polizeikontrolle, vor der Bruecke ueber den Irrawaddy. Alle Ausweise werden kontrolliert
und meine Personalien aufgenommen.

X+1 1000
7. Polizeikontrolle, nach der Bruecke ueber den Irrawaddy. Nur mein Pass wird kontrolliert.

X+1 1028
Ankunft in Myitkyinta.


In genau 27Stunden und 49Minuten haben wir die Strecke von 170 Km durch Busch, Wald
und Wiese zurueck gelegt. Dabei 3 Tankhalte, 8 freiwillige Stopps, 7 Polizeikontrollen, 4
Reifenpannen, 18'888 Schlagloecher und 37,3km Schlammpiste hinter uns gebracht.

Burma begeistert, jeder Tag hat bis anhin Abwechslung und Neues gebracht. Der absolute
Hoehepunkt ist jedoch die Bevoelkerung. Saehe ein Lachen und du wirst ein Lachen ernten, ist
hier fester Bestandteil der Kultur. Ich geniesse aus aus tiefstem Herzen, in mitten so
freundlicher und aufmerksamer Menschen zu sein.



Liebe Gruesse aus dem Land der Goetter
Beat



Anmerkung: Ich garantiere, dass sowohl die Vorkommnisse als auch die aufgefuehrten Zeiten
der Wahrheit entsprechen. Per Zufall habe ich am Morgen, nach der etwas ungewoehnlichen
Abfahrt, die Zeiten und Vorkommnisse aufgezeichnet. Den Bericht habe ich bereits am 1.
September getippt. Da es aber in Myanmar aus politischen Gruenden keinen Zugriff auf's
Internet, gibt konnte ich ihn erst nach meiner Rueckkehr nach Bangkok publizieren.